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Nestwurz

Bienen-Ragwurz

Fliegen-Ragwurz

Stattliches Knabenkraut

Helm-Knabenkraut

Brand-Knabenkraut

Der Orchideenbestand der Ehrenbürg

Folgerungen für den Naturschutz

Anhang

Liste gefährdeter Arten im Untersuchungsgebiet

Literaturverzeichnis


Realisation durch faktor i, mit freundlicher Genehmigung der Autoren A. Riechelmann und A. Zirnsack.

Violette Stendelwurz

Epipactis purpurata J.E. SMITH

Anklicken zum VergrößernVon allen Orchideen der Ehrenbürg bildet die Violette Stendelwurz das Schlußlicht in der Blühfolge. BRACKEL & ZINTL (1983) führten diese Art zwar unter der Rubrik gefährdete Pflanzen für das Walberla auf, aber es gelang uns über Jahre hinweg nicht, Epipactis purpurata zu finden. Nachdem A. & CH. NIESCHALK (1970) die Pflanzen in Nordhessen überwiegend an der Grenze verschiedener geologischer Formationen antrafen, konzentrierten wir unsere Suche auf diesen Bereich der Ehrenbürg. Erstmals stießen wir am 12. August 1998 auf zwei  kleine Populationen mit insgesamt 19 Pflanzen am südöstlichen Abfall des Rodensteins. Hier läßt sich im Gelände eine leichte Verebnung erkennen. Sie befindet sich an der Grenze der obersten Braunjuraschicht (Dogger zeta) zum Weißen Malm (Malm alpha). Diese Terrasse zieht sich als schmales Band rund um den Berg. Durch den darüber liegenden Kalkstein sickert infolge der starken Zerklüftung das Wasser rasch hindurch und tritt an der wasserundurchlässigen Schicht des Ornatenton als Sickerwasser wieder aus, was gelegentlich zu Staunässe führt. 

Die sich bildenden Böden werden erheblich vom aciden Charakter des Dogger Beta geprägt, sind aber durch den in die Bodenbildung mit einbezogenen Dogger Alpha nicht so verarmt wie entsprechende Braunerden und Podsole auf reinem Eisensandstein. Sie werden durch Geröll aus den Malmschichten und kalkführendes Wasser aufgewertet, so daß die Violette Stendelwurz vom Boden her hier noch geeignete Standortbedingungen findet.

Anklicken zum VergrößernNach KOMMA (1985) handelt es sich bei diesem Standort um einen Subkontinentalen Eichen-Hainbuchenwald (Galio-Carpinetum OBERD. 57), der als Ersatzgesellschaft des Hangbuchenwaldes (Lathyro-Fagetum) anzusehen ist. Die Waldschicht wird von der Hain-Buche (Carpinus betulus), der Stil-Eiche (Quercus robur) und dem Berg-Ahorn (Acer pseudoplatanus) gebildet, zu denen sich die Buche (Fagus silvatica), die Wald-Hasel (Coryllus avellana) und der Feld-Ahorn (Acer campestre) gesellen.

Bei den Sträuchern überwiegen der Rote Hartriegel (Cornus sanguinea), der Weißdorn (Crataegus spec.) und die Gemeine Heckenkirsche (Lonicera xylosteum).

Die Krautschicht besteht vor allem aus den auch in den Buchenwäldern reichlich vertretenen Arten wie dem Wald-Veilchen (Viola reichenbachiana), der Haselwurz (Asarum europeum), der Frühlings-Platterbse (Lathyrus vernus), dem Gemeinen Efeu (Hedera helix) und dem Aronstab (Arum maculatum) und erreicht eine Deckung von ca. 30 Prozent. An Gräsern fanden wir das Hain-Rispengras (Poa nemoralis) und die Waldhirse (Milium effusum).

Am Wuchsort von Epipactis purpurata lag die Bodenreaktion im mäßig sauren Bereich. Bei drei Messungen erzielten wir pH-Werte zwischen 6,2 und 6,4 für den frischen Ah-Horizont (5,6 - 6,0 / 3 Messungen). Auch im bezug auf den Lichtgenuß fiel dieser Standort etwas aus der Reihe. Die schütteren Baumkronen vermögen hier kein dichtes Laubdach zu bilden; deshalb gelangt wesentlich mehr Licht auf den Boden als bei den anderen untersuchten Waldstandorten. Die Streubreite im Lichtgenuß lag zwischen 7 500 Lux und 30 000 Lux (Variationsbreite des Lichtgenusses in Prozent der absoluten Strahlung: sonnig 9,3% - 37,5 %).

Die mehrfach in der Literatur erwähnte Büschelbildung (REICHLING 1970, ECCARIUS 1997), die aus Verzweigungen des Rhizoms resultiert, konnten wir für diesen Standort nicht bestätigen; diese Gruppen von genetisch identischen Blühstengeln aus einem Wurzelstock, sogenannte "Ramets", sollen bevorzugt nach Rehwild-Verbiß in Erscheinung treten (vergl. OPPEL 1997). Lediglich zwei Zweier-Büschel trafen wir auf den beiden Wuchsorten an.

 Die deutliche Violettfärbung, die der Pflanze ihren Namen gab, findet man nicht nur im "Jugendstadium", sondern auch nach dem Abblühen breitet sich diese Färbung noch über den Stil und die Blattspitzen aus. Selbst fruchtende Pflanzen heben sich durch ihre intensive Violettfärbung deutlich vom Waldboden ab. Das stattlichste Exemplar dieses Standortes maß 67 Zentimeter, der Fruchtstand 27 Zentimeter und bestand aus 38 prall gefüllten Fruchtkapseln. Selten sahen wir solch große Fruchtkapseln; die unterste hatte eine Länge von 17 Millimetern und 9 Millimeter im Durchmesser, der Fruchtansatz lag zwischen 80 und 100 Prozent. Zu unserem Leidwesen zeigt das Wild eine ausgeprägte Vorliebe gerade für diese Orchideenart. Abgeäste Epipactis purpurata-Pflanzen sind schon fast ein Merkmal.

Der hohe Rehwildbestand im Bereich der Ehrenbürg birgt nicht nur für die Orchideen große Probleme. Durch die vielen Spaziergänger scheiden tagsüber alle offenen Bereiche als Äsungsflächen aus, so daß sich der Druck auf die Waldbestände zusätzlich verstärkt.

Als Bestäuber der Violetten Stendelwurz konnten wir die Deutsche Wespe (Paravespula germanica) beobachten. Die Insekten kletterten an der reichblütigen Infloreszenz von Blüte zu Blüte und trugen eine hohe Zahl von Pollinien am Kopf. Während die Populationen der meisten Vespiden bereits im August absterben, bricht der Staat von Paravespula germanica erst im Oktober zusammen (vergl. MÜLLER 1988). Aufgrund der späten Blütezeit von Epipactis purpurata kommt innerhalb der Vespiden vor allem diese Art als Bestäuber in Frage.

Während an diesem Standort am 20. August 1998 die Pflanzen noch blühten, fruchteten die Pflanzen der zweiten Population bereits, obwohl sie nur 50 Meter weiter westlich stehen. Unsere Messungen ergaben eine wesentlich geringere Lichtmenge (zwischen 2000 und 10000

Lux, das entspricht Werten zwischen 2,5% und 12,5% der absoluten Strahlung bei sonnigem Wetter) und auch der pH-Wert des Ah-Horizonts lag etwas weiter im sauren Bereich 6,0 - 6,6 / 3 Messungen(5,4 -5,8 / 3 Messungen). Die Pflanzen standen in einer kleinen Senke; der Waldboden wies einen wesentlich geringeren Feuchtigkeitsgehalt auf als der in der Nachbarpopulation und auch der Deckungsgrad der Krautschicht war mit ca. 5 Prozent deutlich geringer. Wir vermuten, daß sich in dieser Senke ein Wärmestau bildet, der ein verändertes Mikroklima hervorruft und für die mindestens vierzehntägige Differenz in der Anthese verantwortlich ist. BRACKEL & ZINTL (1983) bezeichnen diesen Vegetationstyp als den trockenen Flügel des Eichen-Hainbuchenwaldes mit Wiesen-Schlüsselblume (Galio-Carpinetum primuletosum veris sensu KÜNNE 69), während sie den feuchteren Flügel dieser Assoziation als Eichen-Hainbuchenwald mit Hoher Schlüsselblume (Galio-Carpinetum primuletosum elatioris sensu SCHLÜTER 68) definieren. Wegen der fortgeschrittenen Jahreszeit konnten wir die beiden Charakterarten jedoch nicht auffinden.

Im Augenblick erscheinen uns die beiden Populationen der Violetten Stendelwurz nicht gefährdet. Wir befürchten aber, daß bei Dachschluß des Waldes mit geringer werdendem Lichteinfall die Zahl der Pflanzen zurückgeht oder sie sogar gänzlich verschwinden.