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Der Orchideenbestand der Ehrenbürg

Folgerungen für den Naturschutz

Anhang

Liste gefährdeter Arten im Untersuchungsgebiet

Literaturverzeichnis


Realisation durch faktor i, mit freundlicher Genehmigung der Autoren A. Riechelmann und A. Zirnsack.

Dunkelrote Stendelwurz

Epipactis atrorubens (HOFFM. Ex BERNH.) BESSER

Anklicken zum Vergrößern In der Dunkelroten Stendelwurz begegnet uns die am frühesten blühende Epipactis-Art; der Blühbeginn liegt auf der Ehrenbürg in der letzten Juniwoche, gelegentlich lassen sich aber auch Ende Juli noch blühende Exemplare finden.

Epipactis atrorubens ist ziemlich wärme- und lichtbedürftig; wir treffen sie deshalb am Walberla  hauptsächlich in Liguster-Schlehengebüsch Assoziationen (Pruno-Ligustretum TX. 52) an. Insgesamt ca. 30 Pflanzen verteilen sich auf wenige Standorte. Im Bereich der Ehrenbürg fällt die verhältnismäßig große Anzahl von Hecken ins Auge. Besonders in Halbtrockenrasen treten immer wieder kleine Gebüschgruppen als Vorboten des Waldes auf. Man kann sie als Zwischenstadium im Zuge der natürlichen Sukzession ansehen. Als ein Segen für den Naturschutz erwies sich die Ablehnung der Flurbereinigung durch die umliegenden Gemeinden. Dadurch blieben viele Hecken und Feldraine im stufigen, westseitigen Hanganstieg erhalten.

Die Hecken der Ehrenbürg setzen sich vor allem aus der Schlehe (Prunus spinosa), dem Eingriffeligen Weißdorn (Crataegus monogyna) und verschiedenen Rosen wie der Kleinblütigen Rose (Rosa micrantha) und der Hunds-Rose (Rosa canina) zusammen. Außerdem gesellen sich wärmeliebende Straucharten wie die Wald-Haselnuß (Corylus avellana), der Rote Hartriegel (Cornus sanguinea), der Gewöhnliche Liguster (Ligustrum vulgare), der Wollige Schneeball (Viburnum lantana) und die Gemeine Mehlbeere (Sorbus aria) dazu.

Der in einigen Sagen über die Ehrenbürg erwähnte Gemeine Wachholder (Juniperus communis) scheint in früherer Zeit häufiger gewesen zu sein. Heute fallen die vereinzelten Wacholderbüsche kaum mehr auf.

Den Unterwuchs der Hecken kennzeichnen Kräuter mit niedrigem Lichtbedarf; die Gefleckte Taubnessel (Lamium maculatum), der Hohle Lerchensporn (Corydalis bulbosa), die Echte Nelkenwurz (Geum urbanum), die Haselwurz (Asarum europaeum) und der Mauerlattich (Mycelis muralis) geben dafür ein Beispiel.

Die Artenzusammensetzung der Hecken ähnelt bereits sehr stark der des Wärmeliebenden Eichenmischwaldes. Einen deutlichen Unterschied bildet das starke Auftreten der Rosenarten und der Schlehe, da ihr hoher Lichtbedarf im Eichenmischwald nicht mehr befriedigt werden kann ( BRACKEL & ZINTL 1983).

Genutzt wurden die Hecken nieder- oder mittelwaldartig, d. h. entweder schlug man sie streckenweise völlig kahl oder man ließ einige Wildobstbäume als "Überhalter" stehen. Das anfallende Reisig ergab schwaches Brennholz; das Astwerk zu "Bündla" gehackt und gebunden, wurde zum Anheizen des Dorfbackofens verwendet. Dieses "Bündlahacken" war im ausgehenden Winter oder Vorfrühling die Arbeit für den oder die Austragler (vergl. WALTER 1988).

Die pH-Messungen für den trockenen Ah-Horizont ergaben den Wert 6,7 (2 Messungen). Den gesamten Vormittag bilden die dicht stehenden Hecken ein starkes Hindernis für Licht und Sonne, die Beleuchtungsstärke beträgt dann in dieser Zeit kaum mehr als 5 000 Lux. Erst am Nachmittag gegen 15 Uhr erhält der südöstlich exponierte Hang mit dem Gebüschstreifen die volle Sonne; dann werden bis zu 15 000 Lux für mehrere Stunden lang am Waldboden in unmittelbarer Nähe der Pflanzen erreicht (Variationsbreite des Lichtgenusses in Prozent der absoluten Strahlung: sonnig 6% - 19%). Für Epipactis atrorubens als wärme- und lichtliebende Art dürfte diese Lichtmenge den untersten Grenzbereich darstellen, bei der diese Pflanzen noch zur Blüte gelangen.

Obwohl die Dunkelrote Stendelwurz von allen heimischen Epipactis-Arten diejenige ist, die man am ehesten als rein allogam ansehen  darf (BAYER 1980), zeigten die Pflanzen nur sehr geringen Fruchtansatz; meistens nur eine, selten drei Fruchtkapseln pro Pflanze waren entwickelt. Das mag damit zusammenhängen, daß der Heckenstreifen von drei Seiten mit Wald umgeben ist und im Zuge natürlicher Sukzession vor allem die Wald-Haselnuß und die Schlehe von den Waldrändern her auch auf den flächenmäßig kleinen Standort mit den Epipactis-Pflanzen drängen. So entsteht für die Bestäuber, nach WIEFELSPÜTZ (1970) sind es Bienen und Hummeln, eine Barriere, die sie nicht überwinden und deshalb gar nicht in den Nahbereich eines Epipactis-Blütenstandes kommen können.

Als lichtliebende Art gibt es für die Dunkelrote Stendelwurz auf der Ehrenbürg eigentlich genügend Standorte. Mit einem größerem Auftreten kann in den nächsten Jahren dennoch nicht gerechnet werden, da die Pflanzen zu wenig Fruchtansatz zeigen und sich die Wuchsorte über ein Schlehen-Weißdorn-Gebüschstadium selbständig bewalden, also zu der Formation zurückkehren, aus der sie einst hervor gingen. Im Schatten der aufstrebenden Holzgewächse kümmert Epipactis atrorubens und verschwindet schließlich ganz. Ein Auslichten der Hecken zur Schaffung wenigstens kleiner, partieller Lichtzellen halten wir deshalb dringend für nötig, wenn die Dunkelrote Stendelwurz weiterhin auf der Ehrenbürg blühen soll.