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Bleiches Waldvögelein
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Großes Zweiblatt
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Bienen-Ragwurz
Fliegen-Ragwurz
Stattliches Knabenkraut
Helm-Knabenkraut
Brand-Knabenkraut
Der Orchideenbestand der Ehrenbürg
Folgerungen für den Naturschutz
Anhang
Liste gefährdeter Arten im Untersuchungsgebiet
Literaturverzeichnis
Realisation durch faktor i, mit freundlicher Genehmigung der Autoren A. Riechelmann und A. Zirnsack.
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Bleiches Waldvögelein
Cephalanthera damasonium (MILLER)
DRUCE
Im Bereich der Ehrenbürg tritt das Bleiche Waldvögelein nur
mehr spärlich auf. Die einzelnen Pflanzen eines Vorkommens verteilen sich in
der Regel auf einen größeren Raum; Populationen mit mehreren Individuen auf
einer kleinen Fläche sind ausgesprochen selten. Wir schätzen den gesamten
Bestand auf ca. 70 bis 80 blühende und eben so viele sterile Pflanzen, verteilt
auf fünf Wuchsorte. Nach OBERDORFER (1990) ist Cephalanthera damasonium eine
Charakterart der Orchideen-Buchenwälder (Cepalanthero-Fagion). Diese
Vegetationseinheit trifft man auf der Ehrenbürg nicht an; aber in Hanglagen auf
skelettreichen, trockenen Böden, die vor allem über Dolomit und Dolomitasche
liegen, stockt ein Buchenwald mit vielen thermophilen Arten, der dem
Cephalanthero-Fagetum nahe verwandt ist. Es handelt sich um den
Orchideen-Hangbuchenwald (Carici-Fagetum MOOR 52). In dieser Assoziation trafen
wir auf die stärkste Population des Bleichen Waldvögeleins (mehr als 20 Pflanzen)
in einem südlich exponierten Hangwald unterhalb des Rodensteins.
Die lockere Baumschicht, die durchschnittliche Deckung liegt
bei 70 bis 75 Prozent, muß die Rot-Buche (Fagus silvatica) sich mit der
Wald-Hasel (Corylus avellana) teilen; doch hat die Buche noch nicht ihr volles
Durchsetzungsvermögen und deshalb bleibt der Kronenschluß noch etwas licht.
Daneben sind die Stiel-Eiche (Quercus robur) und die Trauben-Eiche (Quercus
petraea) sowie die Gemeine Kiefer (Pinus sylvestris) mit vertreten.
Die nur mäßig entwickelte Strauchschicht besteht in erster
Linie aus den sich verjüngenden Rot-Buchen und Wald-Haseln; die häufigsten
Sträucher sind der Wollige Schneeball (Viburnum lantana), die Gemeine
Heckenkirsche (Lonicera xylosteum) und der Weißdorn (Crataegus spec.). Die
Deckung der Strauchschicht liegt bei ca. 20 Prozent.
Deutlich höher als in anderen Buchenwäldern liegt nach
BRACKEL & ZINTL (1983) infolge des hohen Lichtgenusses die Deckung der
Krautschicht. Sie geben sie mit durchschnittlich 78 Prozent an. Bei unseren
Untersuchungen konnten wir nie einen so hohen Deckungsgrad feststellen. Er
bewegte sich zwischen 50 und 60 Prozent. Charakteristisch für diesen Standort
sind die wärmeliebenden Arten wie die Schwalbenwurz (Cynanchum vincetoxicum),
die Pfirsichblättrige Glockenblume (Campanula persicifolia), die Gemeine Akelei
(Aquilea vulgaris) und die Wald-Erdbeere (Fragaria vesca). Als ebenfalls
wärmeliebende Art zeigt sich Cephalanthera damasomium gegen Winterfröste und
Nachtfröste im Frühjahr sehr empfindlich (WEINERT 1967). An Seggen konnten
wir die Blaugrüne Segge (Carex flacca)
und die Berg-Segge (Carex montana) auffinden.
Da die Buchen ihr Kronendach noch nicht ganz geschlossen
haben, wird der Waldboden nicht völlig beschattet. Zwischen 14 Uhr und 15 Uhr
lag die minimale Beleuchtungsstärke bei 5000 Lux, die maximale bei 20 000 Lux
(Variationsbreite des Lichtgenusses in Prozent der absoluten Strahlung: sonnig
6 % - 25 %).Trotz des mäßigen Lichtgenusses ist Cepalanthera damasonium
befähigt, Blüten zu induzieren und zu fruchten. Allerdings weisen die klein
bleibenden Schattenformen in der Regel nur drei bis fünf Blüten auf, während
Exemplare mit höherem Lichtgenuß leicht das Doppelte bis Dreifache an Blüten
entwickeln können. Der Blühbeginn liegt beim Bleichen Waldvögelein zu Beginn
der dritten Maidekade. Die Pflanzen zeigen einen sehr guten Fruchtansatz,
nämlich zwischen 95 und 100 Prozent; trotzdem breitet sich Cephalanthera
damasonium an diesem Standort kaum aus. Ende September waren die Fruchtkapseln
noch geschlossen und hatten noch nicht ausgesamt. Bei dieser Art dürfte nach
unseren Beobachtungen vegetative Vermehrung vorherrschen. Das Bleiche
Waldvögelein scheint die Nähe der Rot-Buche (Fagus silvatica) besonders zu
lieben. Wir fanden nur ganz wenige Einzelexemplare, die ohne das Vorhandensein
dieser Baumart siedeln. Der pH-Wert des
frischen Ah-Horizonts lag zwischen 6,8 und 7,0/3 Messungen (6,0 - 6,5 / 4 Messungen).
Mehr als die Hälfte aller gefundenen Exemplare blühen im
Wärmeliebenden Eichenmischwald (Clematido-Quercetum GAUCKLER 38) am südwestlich
exponierten Malmabfall des Rodensteins. Nachdem die Beweidung der Rasenflächen
der Ehrenbürg nachgelassen hatte, bildete sich diese Vegetationseinheit an den
Weißjura-Hängen. Sie kann deshalb als die potentielle natürliche Vegetation der
Halbtrockenrasen-Standorte angesehen werden (KOMMA 1985).
Die vorherrschenden Gehölze wie Stiel-Eiche (Quercus robur)
und Wald-Hasel (Corylus avellana) sind mit Hecken- und Saumarten
vergesellschaftet. Als Beweis für eine gute Wärmeversorgung kann man den
Feld-Ahorn (Acer campestre), den Roten Hartriegel (Cornus sanguinea), die
Hunds-Rose (Rosa canina) und den Wolligen Schneeball (Viburnum lantana)
heranziehen.
Auch die Vertreter der Krautschicht bestätigen den von den
Gehölzen angedeuteten Wärmebedarf, so zum Beispiel das Rauhe Veilchen (Viola
hirta) und die Pfirsichblättrige Glockenblume (Campanula persicifolia). Daneben
trafen wir gelegentlich auch auf die Wiesen-Schlüsselblume (Primula veris) und
den Aronstab (Arum maculatum).
Da der Eichenmischwald verhältnismäßig locker steht, finden
wir etwa die gleichen Beleuchtungsverhältnisse wie im Orchideen-Hangbuchenwald.
Die einzelnen Pflanzen dieses Vorkommens verteilen sich auf einen größeren
Raum. Wir trafen auch hier auf Schattenlagen, hervorgerufen durch besonders
hohe und dicht stehende Bäume, an denen das Bleiche Waldvögelein nur sterile
Exemplare hervorbrachte. In den lichteren Beständen und an den Randzonen findet
diese Art auf der Ehrenbürg ihr Optimum; Pflanzen mit 12 Blüten und einer
Wuchshöhe von mehr als 50 Zentimeter waren keine Seltenheit. Unsere
pH-Messungen ergaben in diesem Bereich Werte zwischen 6,6 und 6,9 (3
Messungen).
Während und auch noch nach der Blüte wurden Verluste durch
den Verbiß von Rehwild festgestellt. Auch machten Blattläuse besonders in der sehr trockenen Vegetationsperiode im
Frühjahr 1998 Cephalanthera damasonium sehr zu schaffen; der Befall war
teilweise so stark, daß einige Pflanzen deshalb nicht zur Blüte gelangten. Auch
BREITRÜCK (1968) stellte Schäden durch Blattlausbefall für das Bleiche
Waldvögelein fest.
Für den Bereich der Ehrenbürg zählt Cephalanthera damasonium
zu den weniger gefährdeten Arten. Als Waldpflanze ist der Schutz aber insofern
problematisch, daß die Erhaltung der Art in erster Linie vom Fortbestand der
natürlichen Zusammensetzung der Gehölzarten abhängt. Eine Veränderung der
Waldnutzungsart genügt, um den Gefährdungsgrad anwachsen zu lassen.
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